Bier in Südtirol
Geschichte des Brauwesens und Wirtsbrauereien heute
Im Sommer 2013 von Gudrun Esser
Auf fast 1.000 Metern im Halbschatten auf das Etschtal und das gigantische Areal des Pferderennplatzes hinabblicken, ein kühles Bier trinken und ein köstlich zubereitetes „Schepsernes“ mit hausgemachten Knödeln und Gartensalat essen, das ist Leben wie Gott in Südtirol, das war mein Wohnzimmer: der Greiter. Ich wurde von Familie Klammsteiner mit Team immer fürstlich bewirtet. Meine Kinder sind dort aufgewachsen, beinahe geboren. Gefeiert, getrunken, über die Landes- und Weltpolitik diskutiert und geheiratet haben wir dort.
Die Greiter Hausbrauerei, der zum Sudhaus gewordene Traum des Meraners Karl Klammsteiner, ist eine von vielen Hausbrauereien, die Roman Drescher in seinem Buch vorstellt. Die Brauerei am Greiter ist schon lange nicht mehr aktiv. Die Klammsteiners trinken jetzt anderes Bier und ich bin mir sicher, dass sie irgendwo ein besonders schmackhaftes ausfindig gemacht haben. Und das war sicher nicht leicht, denn das Greiter-Bier war von vielen – egal ob dunkel oder hell – geschätzt, mancher hat ihm sogar Wunderwirkung nachgesagt und behauptet, durch das Greiter-Bier geheilt worden zu sein. Bier-Latein oder nicht ist rückblickend nebensächlich. Gesellig war es dort immer und ein beliebtes Ausflugs- und Radfahrerziel dazu. Inzwischen haben viele im Land an diese Südtiroler Tradition angeknüpft. Der Meraner Klammsteiner begann damit in den späten 80er-Jahren unter Freunden und eröffnete im Jahr 1995 die Hausbrauerei in Freiberg.
Der RAI-Journalist Roman Drescher berichtet in seinem Buch, dass es 1880 bereits 27 Brauereien in Südtirol gab. Im 19. Jahrhundert soll die Blütezeit der Braukultur in Südtirol gewesen sein.
Dreschers Buch bietet Einblick in ein Stück Kultur – aber auch Unternehmergeschichte stattlichen Ausmaßes. Ein Buch, das nicht nur den Bierdurst im Leser, sondern auch die Reiselust im eigenen Land weckt. Somit erübrigt sich an sich die erste Frage des folgenden Interviews mit Roman Drescher.
Meraner Stadtanzeiger: Herr Drescher, warum ein Bierbuch?
Roman Drescher: Die allermeisten sagen zum Buch: „Das habe ich noch nie gehört. Das sind aber interessante Geschichten!“ Südtirol war immer Weinland UND Bierland. Das Buch hat zweifelsohne gefehlt. Meinem Verleger Gottfried Solderer schwebte es schon lange vor, diese Geschichte festzuhalten. Dem Mitbegründer der ersten Wirtshausbrauerei Hopfen & Co. in Bozen, Bobo Widmann, war es wichtig, die Geschichte wiederzubeleben. Er ist befreundet mit dem Bierologen Wolfgang Dieter Speckmann, der seine Schriften bereitstellte. Speckmann sammelte in Südtirol jahrelang alles Erdenkliche. Dann brachte mich Solderer mit den beiden Bier-Mannen zusammen.