Der Rochele-Keller in Marling
Im Sommer 2015 von Dr. Elfriede Zöggeler-Gabrieli
Als der „Luis von Ulten“ in der Südtirol-Heute-Sendung vom Rochele-Keller in Marling schwärmte, horchte so mancher Hörer auf. Vom Rochelehof an sich weiß man, dass er bereits 1652 schriftlich erwähnt wurde und somit in eine traditionsreiche Geschichte eingebunden ist. Dass die Kellerräume Besonderes enthalten, davon hat man zwar gehört, aber Genaueres — dass der Keller auf Anmeldung zugänglich ist und dort nicht nur kulturhistorische Artefakte zu bestaunen sind, sondern Besucher mittels modernster Technik in Form von Film- und Tonbeispielen mit Bräuchen und Kunst vertraut gemacht werden —, darüber wussten wohl nur Insider Bescheid.
Dieser Erlebniskeller, ein ausgeklügeltes Kellersystem, das eine Ausdehnung von insgesamt 250 qm aufweist und für dessen Begehung man mit rund 1,5 Stunden rechnen kann, bildet eine echte Attraktion für Marling. Er ist in der Zwischenzeit bis weit über die Grenzen Südtirols hinaus bekannt. Jeder, der ihn besichtigt hat, ist sich sofort bewusst, dass aufgrund des Ausmaßes und der Ausstellungsobjekte hier sicherlich viel investiert wurde. Wer nun den Kellerbesitzer, Walter Mairhofer, auf die Finanzierung dieses Objektes anspricht, erfährt – neben der Hingabe und Begeisterung, die er ausstrahlt –, dass man bei Museen den finanziellen Aspekt generell nicht ins Auge fassen dürfe. Zudem meint er: „Es gibt sicherlich wenig öffentliche Museen, die sich von selbst tragen. Dies gilt wohl umso mehr für ein privates Museum. Mit dem Obolus, der bei der Besichtigung geleistet wird, ist vor allem im Winter sicherlich nicht die Heizung, der Strom, die Zeit gezahlt. Es ist eine kleine Spesenvergütung, mehr nicht. Vielmehr macht es aber Freude, interessierten Leuten den Erlebniskeller zu zeigen. Dabei lege ich eher Wert auf interessierte Gruppen als auf Massenabfertigung.“
Im Laufe der letzten Jahre hat der Rochele-Keller eine wichtige soziale Funktion nicht nur im Dorfgeschehen von Marling übernommen. Zu den Kellergästen zählen in der Zwischenzeit Schulklassen aus der näheren und weiteren Umgebung sowie Menschen, die sich mit dem Brauchtum auseinandersetzen, gemeinsam diskutieren oder einfach nur Gedanken austauschen wollen.
Wie sich ein Schimmelpilz zum Glückspilz wandelte
Eines Tages wurde bemerkt, dass sich im Keller an den Balken, an verschiedenen Geräten und selbst am Boden ein weißes Pilzgeflecht breitmachte. Es war wohl darauf zurückzuführen, dass einmal hinter den großen Weinfässern im Keller ein Rohrbruch stattgefunden hatte, der längere Zeit nicht entdeckt wurde. So mussten sämtliche Fässer und handwerkliche Geräte zum Reinigen ins Freie gebracht werden. Der Erdboden wurde zudem etwa einen halben Meter abgetragen, um dadurch die feuchte Erde restlos entfernen zu können. Dabei ist man auf einen alten, gut erhaltenen Torgglstein gestoßen. Dieser Fund trug dazu bei, dass man begann weiterzugraben. So wurden einige Treppen und der ursprüngliche und inzwischen wohl durch Witterungseinflüsse vermurte Kellereingang freigelegt. Dadurch kam aber auch zutage, dass die meisten Geräte entweder schon mit einem Schimmelbelag überzogen oder stark von Holzwürmern zerfressen waren. Dies erforderte eine rasante „Rosskur“, indem sämtliche Objekte gewaschen, gebürstet, getrocknet, mit einem Holzschutzmittel eingelassen und in Nylon verpackt wurden, damit auch wirklich der letzte Holzwurm seine Stellung aufgibt. Da in den alten Mauern mit dem Erdboden und ohne Wasseranschluss ein hygienisches Arbeiten nur sehr mühsam möglich war, wurde die Weinproduktion verlagert und ein großer Tisch mit Eckbank in die Ansetz gestellt.
Um auch für Speis und Trank sorgen zu können, fehlte noch eine kleine Küche, weshalb der Bereich, in welchem sich die Torggl befand, abgetrennt und mit einer Kochnische ergänzt wurde. Indes meldeten sich regelmäßig Schulklassen an, um den Keller zu besichtigen und sich erfreulicherweise an den alten Gerätschaften sehr interessiert zeigten. Im Zuge von weiteren Umbauarbeiten, welche auch den Hofraum betrafen, wurden die bisher bestehenden historischen Gemäuer um einen Verkostungsraum und einen Lagerkeller vergrößert sowie durch weitere Handwerksgeräte, welche auf Flohmärkten, im Internet, bei Bekannten, Freunden, Verwandten usw. ersteigert wurden, ergänzt. Bald darauf konnte ein weiterer Traum des unermüdlichen Bauherrn verwirklicht werden: der Zubau eines speziellen Raumes für sogenannte Blindverkostungen. Die Möglichkeit, selbst Kellermeister aufs Glatteis zu führen, wenn sie Schwierigkeiten haben, einen weißen von einem roten Wein zu unterscheiden oder ihren eigenen Wein nicht erkennen, erschien verlockend.
Die Verbindung zu dieser neuen Lokalität bildet ein kurzer, dem Bergwerkstollen nachempfundener Durchgang, der bei totaler Dunkelheit so manchen zum Rückzug bewegt. Hier ist unter anderem ein Original Bergbau-Telefon angebracht. Dieser eigensichere, batterielose und netzunabhängige Fernsprecher besteht aus einem Hörer, an dem sich ein Heulrufgenerator befindet. Durch Drehen des Knopfes erzeugt der Generator eine elektrische Spannung, die einen sehr lauten, akustischen Wobbelruf sowie ein elektrisches Signal auslöst. Er war dafür gedacht, dass man in grubengasgefährdeten Bereichen mit einer zentralen Stelle oder der Grubenwarte in Kontakt treten konnte.
Arbeit und Gerät im Südtiroler Wein- und Obstbau
Den Besucher erwartet beim Eintritt in die ersten Kellerräume ein Saltner in voller Montur samt prächtigem Federschmuck und einer Hellebarde. Er ist umgeben von alten Gerätschaften des Weinbaues, wie Lagl, Tresterbeil, Tragzumm, Torggl, Ansetz, Paceide usw. bis hin zum Kellergeist. Man merkt sofort, dass Walter Mairhofer sich nicht nur auf den Bereich des Weines spezialisiert hat, sondern dass er bestrebt ist, Leben in die Kellerwelt einzuhauchen. So begegnet man Objekten aus dem mythologischen gleich wie aus dem sakralen oder profanen Bereich: Ob der Weingott Bacchus, der Hl. Urban als Schutzpatron der Winzer, die Madonna mit dem Jesukind mit der Traube von Michael Pacher oder Erzherzog Johann, dem wir den Blauburgunder, den Weißburgunder und den Riesling in Südtirol verdanken, als auch die Weinbergschnecke, ein alter Bauernkalender oder der Torgglsegen, sie alle und noch vieles mehr zeugen vom Brauchtum, von der Tradition und der Weinkultur in unserem Land.
Kunst und Musik
Ein besonderes Augenmerk legt Walter Mairhofer darauf, Marlinger Künstler in seinen Räumen zu verewigen. Aber auch Musik begleitet den Kellergast durch alle Räume, während einmal das „Lied der Glocke“ von Franz Liszt erklingt, wird er ein Stück weiter mit „in taberna“ der Carmina Burana von Carl Orff überrascht.
Hobby und Freizeit
Ein verwinkeltes Stübchen ist der Imme und dem Imker gewidmet, in welchem ein Fries in Form eines Glas-Rundgemäldes am oberen Rand der Wandfläche angebracht ist, auf welchem verschiedene Motive und Themen, wie beispielsweise der Lorscher Bienensegen, dargestellt sind.