„Gute Ausgangslage, aber Zukunftssorgen“
Was läuft gut – und was weniger gut? Arno Kompatscher, SVP-Spitzenkandidat bei den Landtagswahlen 2013, hat sich bei einer landesweiten „Tour“ ein Stimmungsbild von Südtirol verschafft, um noch besser zu verstehen, wie das Land tickt. In sehr vielen Punkten wurde er in seinem Denken bestätigt …, einige tragende Facetten sind dazugekommen. Der „Meraner Stadtanzeiger“ unterhielt sich mit dem 42-jährigen Völser, der sich anschickt, neuer Landeshauptmann von Südtirol zu werden.
Meraner Stadtanzeiger: Bei Ihrer „Tour“ haben Sie zugehört und mitgeschrieben. Ihre Bilanz dieser Treffen?
Arno Kompatscher: Sie haben mir doch ein sehr klares, einheitliches Bild gegeben – auch wenn unterschiedliche Interessenvertretungen am Tisch saßen: Mal waren es Wirtschaftsverbände, mal Gewerkschaften, mal Arbeitnehmer … Auch wenn diese unterschiedliche Schwerpunkte hervorgehoben haben, so war ihnen doch eine Grundaussage gemein: ‚Noch geht es uns gut!‘ Die Leute sind sich bewusst, dass es „fette Jahre“ gegeben hat, sie machen sich aber Sorgen bezüglich der Zukunft. Angst machen etwa die zunehmende Jugendarbeitslosigkeit, der steigende Steuerdruck, die ausufernde Bürokratie, die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit, das sinkende Lohnniveau, die teuer werdende Lebenshaltung usw.
Stadtanzeiger: Grenzenloser Pessimismus – oder sind sich die Südtiroler auch ihrer Stärken bewusst?
Arno Kompatscher: Man ist sich der nach wie vor sehr guten Ausgangslage durchwegs bewusst! In Südtirol funktionieren Sachen, die anderswo nicht klappen. Das Land verfügt über fleißige Menschen, die gut ausgebildet sind – diese sind auch bereit, Leistung zu erbringen. Die Natur- und Kulturlandschaft ist einmalig, die Lebensqualität hoch. Die Leute schätzen die effiziente Verwaltungsarbeit, das funktionierende Sozialsystem … und auch die kleinstrukturierte, gut aufgestellte Wirtschaft mit den vielen Familienbetrieben. Auch der üppig ausgestattete Landeshaushalt wird als Stärke gesehen. In vielen Bereichen nimmt das mehrsprachige Südtirol als Schnittpunkt zweier Kultur- und Wirtschaftsräume eine bedeutende Vorreiterrolle ein.
Stadtanzeiger: Einige dieser Stärken werden aber sehr oft auch als Schwächen des Landes bezeichnet?
Arno Kompatscher: Ja. Der Landeshaushalt etwa – er hat zu einer Beitragsmentalität geführt. Und vielfach zu einer Abhängigkeit; die Leute fühlen sich bevormundet. Teilweise kann man auch von einem überzogenen Anspruchsdenken sprechen. Das sind sicher Schwächen. Aber auch die Überreglementierung und Omnipräsenz der Öffentlichen Verwaltung, welche die Eigeninitiative bremst. Der wachsende Verwaltungsapparat führt zu immer noch mehr Bürokratie. Es braucht einfachere Verfahren, die Abläufe können digital beschleunigt werden. Die Öffentliche Verwaltung wird effizienter werden müssen – und sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren müssen. Alles wird künftig nicht mehr möglich sein!
Stadtanzeiger: Berechtigte Zukunftssorgen auf der einen Seite – gibt es aber nicht auch Frustration?
Arno Kompatscher: Die Südtiroler haben das Vertrauen in die Politik verloren. Oder besser gesagt: Sie glauben einfach nicht mehr daran, dass die Politiker ihre Probleme lösen können! In den vergangenen Jahren wurde sehr oft versucht, durch Worte glaubwürdig zu sein. Dies muss sich dringend ändern – und kann nur durch Fakten geschehen! Ich wurde bei meiner „Tour“ auch auf einen nicht erwarteten Frust bei den Ehrenamtlichen aufmerksam – verursacht durch die Bürokratie! Andererseits ist aber auch eine Aufbruchstimmung zu beobachten: Es gibt sehr viele engagierte Menschen, die eigenverantwortlich tolle Ideen umsetzen wollen. Dies müssen wir zulassen!
Stadtanzeiger: Alles spricht von einer „neuen Politik“ für Südtirol – wie könnte bzw. sollte diese aussehen?
Arno Kompatscher: Ich glaube, der Südtiroler wünscht sich – wie schon angesprochen – mehr Glaubwürdigkeit und mehr Freiraum. Die Politik soll sich wieder auf transparente Weise mit den Anliegen der Bevölkerung auseinandersetzen, also mit Sachthemen. Gleichzeitig muss die Eigeninitiative der Menschen gestärkt werden – was damit einhergeht, auch größere Verantwortung zu übernehmen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist aber auch mehr Partizipation: Die Leute wollen mitreden! Also keine Pseudorituale mehr, bei denen sie angehört werden, obwohl die Entscheidungen längst schon getroffen sind.
Stadtanzeiger: Die Südtiroler zeigen sich über die Zukunftschancen ihrer Kinder besorgt. Was tun?
Arno Kompatscher: Es braucht eine Arbeitsmarktoffensive. Da ist vor allem auch bei der Ausbildung anzusetzen – diese ist meines Erachtens momentan zu intellektuell-geisteswissenschaftlich ausgerichtet: Sie muss technischer werden! Wir können diesbezüglich auf ein funktionierendes duales Ausbildungsmodell aufbauen, um das wir beneidet werden. Denkbar wären eventuell Fachhochschulen usw. Die Aufwertung praktischer Berufe erhöht die Chancen junger Arbeitskräfte.
Stadtanzeiger: Weniger Steuern bezahlen – dafür auch weniger Beiträge erhalten. Funktioniert das?
Arno Kompatscher: Ich glaube schon! Aus der Sicht der Öffentlichen Verwaltung gesehen, läuft es derzeit so: 100 Euro werden eingenommen – und aufwendig „verwaltet“, sodass schließlich nur noch 70 Euro wieder ausbezahlt werden können. Meist geht das Geld dann – aufgrund des Gießkannenprinzips – auch nicht an den Richtigen, denn die entsprechende Regelung zur Beitragsvergabe entspricht nie dem Tempo, das die eigentlich guten Ideen haben. Unternehmen können einfach schneller auf Veränderungen am Markt reagieren als die bürokratische Verwaltung. Ihre Entlastung würde zu einer höheren Wettbewerbsfähigkeit führen – und auch zu neuen Arbeitsplätzen bzw. einem höheren Lohnniveau.