Erntedank
Am dritten Wochenende im Oktober wird seit nunmehr125 Jahren in Meran ein großes Fest begangen. Ursprünglich als Erntedankfest, also als Fest der Wertschätzung und vor allem des Dankes an den Schöpfer für die nunmehr eingebrachte Ernte der verschiedenen landwirtschaftlichen Produkte, die im Zeitraum des Kalenderjahres durch den Fleiß der Hände Arbeit und mit Gottes Segen erwirkt worden sind, ist es nunmehr als traditionelles Fest erhalten geblieben. Das Traubenfest betont heute ganz besonders die Südtiroler Traditionen und Bräuche und wirkt als Publikumsmagnet für uns Südtiroler und ganz besonders für Tagesgäste und Urlauber in unserem Lande.
Am darauffolgenden Sonntag wurde in Meran das kirchliche Erntedankfest mit einem Festgottesdienst und dem Erntedankbittgang nach Riffian begangen.
Wenn wir einmal im Jahr in besonderer Weise unseren Dank für die Ernte zum Ausdruck bringen, sollten wir uns grundsätzlich nicht nur auf Produkte unserer Nahrungskette beschränken. Ich gestehe, dass ich allerdings gerade in diesem Bereich heuer ein besonders schlechtes Gewissen unserer westlich so hochentwickelten Kultur verspüre. In den letzten Wochen wurden die Ergebnisse von Untersuchungen über die Menge der weggeworfenen Lebensmittel veröffentlicht. Es sind dies jene, die bereits am Beginn der Verteilerkette zerstört werden, jene, die in Folge der ständig zur Verfügung stehenden vollen Auswahl als Überproduktion anzusehen sind, nicht rechtzeitig verkauft werden können und somit vom Verfallsdatum ereilt werden. Es sind aber auch jede Menge an zu viel gekauften, dann doch nicht benötigten und schließlich entsorgten Lebensmittel, die in der Summe beigerechnet werden müssen. Dem gegenüber die vielen hungernden und an Lebensmittelknappheit sterbenden Kinder und Erwachsenen in weiten Teilen dieser selben Welt. Einer Welt, die wir, wenn wir wollten, in wenigen Stunden mit einem Verkehrsmittel erreichen könnten. Die immer größer werdende Raffgier des Menschen schreckt aber auch nicht vor der Missachtung der Schöpfung zurück. Der Boden wird ohne Rücksicht ausgebeutet. Dabei werden Chemie und Gen manipuliertes Saatgut teilweise unter Zwang in weiten Teilen eingesetzt. Es führt in die absolute Verarmung und leider zu oft in den Selbstmord. Dies kann sicher nicht als Achtung vor und Sorge für die Schöpfung verstanden werden. Es kann nicht einfach nur gedankt und zur Tagesordnung übergegangen werden. Wir alle sind gefordert, unseren Beitrag zur Änderung beizutragen.
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Neben der Nahrung für den Körper braucht der Mensch auch Nahrung für den Geist. In der Katholischen Kirche ist soeben ein Gedenktag gefeiert worden, der wie kein anderer als ein Meilenstein in der letzten Zeit der 2000-jährigen Kirchengeschichte gilt. Die 50-Jahrfeier der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils. Vor 50 Jahren haben sich die vom seligen Papst Johannes XXIII. einberufenen Konzilsväter mit ihren Beratern und Mitarbeitern in Rom auf den Weg gemacht, haben Texte erarbeitet, beraten, diskutiert, gestritten, verworfen, neu gefasst, um Ausgleich und Verständigung gerungen und schließlich abgestimmt. In etwas mehr als dreijähriger Arbeit wurden Konstitutionen, Dekrete und Erklärungen erarbeitet, die uns einen Wandel verspüren ließen und lassen. Es ist einiges noch nicht umgesetzt, vieles harrt einer Bearbeitung oder Vertiefung, einigen sind die Auslegungen zu weitreichend, anderen zu konservativ. Beide Standpunkte finden sich teilweise in den Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils mit breitester Zustimmung, bei der Umsetzung allerdings treten Schwierigkeiten auf. Trotzdem dürfen wir für den Aufbruch dankbar sein. Ein Blick in die Kirchengeschichte der letzten wenigen Jahrhunderte fällt leider in manchen Bereichen beschämend aus und müsste uns Schamröte ins Gesicht treiben. Der selige Papst Johannes Paul II. hat Worte der Entschuldigung gefunden. In diesen Tagen haben sich Kardinäle, Bischöfe und theologische Berater aus der ganzen Welt auf Einladung von Papst Benedikt XVI. in Rom zu einer Bischofsynode versammelt, um über die Neu- oder auch Re-Evangelisierung in der heutigen Zeit zu beraten. Man darf auf die Abschlussdokumente gespannt sein. Es wird ein Tun vor dem Sein stehen müssen. Dieses Tun wird uns alle betreffen, wird von uns allen vollen Einsatz einfordern müssen, wenn es fruchtbringend sein soll. Papst Johannes XXIII. hat einmal gesagt: „Man muss nicht unbedingt einen Bischofsstab haben, man kann auch mit dem Küchenbesen heilig gesprochen werden.“ Stehen wir zur Verfügung und stellen wir uns den Herausforderungen und Aufgaben. In den nächsten drei Jahren könnte, unter fachkundiger Anleitung, das Lesen dieser Dokumente eine Begleitung und Bereicherung darstellen.