Umwelt- und Tierschutz in der Verfassung
Im Sommer 2021 von Philipp Rossi
Das italienische Parlament setzt sich zurzeit mit dem Vorschlag auseinander, den Umwelt- und Tierschutz ausdrücklich in der Verfassung zu verankern. Ein zweifelsohne positives Vorhaben, dessen mögliche Auswirkungen auf die Südtiroler Autonomie es jedoch zu prüfen gilt. Der Meraner Stadtanzeiger hat sich intensiv mit dem Gesetzesentwurf befasst und zwei Expertenmeinungen eingeholt.
Der Gesetzesentwurf
Der Vorschlag, den Umwelt- und Tierschutz in die italienische Verfassung aufzunehmen, stammt ursprünglich von prominenten Umweltorganisationen und wurde bereits 2013 in etwas abgeänderter Form eingebracht. Nun hat allerdings der Senat mit breiter Mehrheit einen Gesetzesvorschlag angenommen, wodurch die einschlägigen Bestimmungen in der Verfassung geändert werden sollen.
Artikel 9, der zu den grundlegenden Rechtssätzen der Verfassung zählt und in seiner derzeitigen Fassung vorsieht, dass die Republik „die Entwicklung der Kultur und die wissenschaftliche und technische Forschung“ fördert (Absatz 1) sowie „die Landschaft und das geschichtliche und künstlerische Vermögen des Staates“ schützt (Absatz 2), soll um einen dritten Absatz mit dem folgenden Wortlaut erweitert werden: „Die Republik schützt die Umwelt, die biologische Vielfalt und die Ökosysteme, auch im Interesse der kommenden Generationen. Das Staatsgesetz regelt die Art und Weise und die Form des Tierschutzes“. Gleichzeitig soll gemäß dem vom Senat in erster Lesung verabschiedeten Gesetzesentwurf auch Art 41 Verf abgeändert werden. Darin verankert ist die Freiheit der Privatinitiative in der Wirtschaft (Absatz 1), die jedoch bestimmten Schranken unterliegt, etwa der Sicherheit, der Freiheit und menschlichen Würde. Zu diesen Schranken sollen in Zukunft auch die Gesundheit und die Umwelt gehören. Zudem soll Absatz 3 von Art 41 Verf dahingehend verändert werden, dass die öffentliche und private Wirtschaftstätigkeit nicht nur für soziale Zwecke, sondern auch für Umweltzwecke ausgerichtet und abgestimmt werden kann.
Damit der Gesetzesentwurf in Kraft tritt, müssen ihn beide Parlamentskammern in zwei Lesungen beschließen.
Das Südtiroler Tierschutzgesetz
Ein eigener Kompetenzbereich „Tierschutz“ findet sich im Autonomiestatut nicht. Dennoch hat das Land mit dem Landesgesetz Nr. 9/2000 ein eigenes Tierschutzgesetz erlassen, wodurch das Land „den Schutz sämtlicher Tierarten“ fördert sowie „die Tierquälerei und Misshandlungen sowie das Aussetzen von Tieren“ verurteilt. Geregelt werden darin etwa die Tierhaltung, die Unterbringung streunender und ausgesetzter Tiere in Tierheimen und Hundezwingern, die Gewährung von Beiträgen für den Tierschutz, die Einrichtung eines Melderegisters für Heimtiere, die kommerzielle Hundehaltung, der Transport von Tieren und die Obhut von Tieren. Schauspiele und Wettkämpfe, bei denen Tiere misshandelt werden, verbietet das LG Nr. 9/2000, ebenso „die Zucht, den Erwerb oder die Weitergabe von Tieren zur Durchführung von Tierversuchen sowie die Durchführung jeglicher Art von Tierversuchen, die mit Schmerzen, Leiden oder schädigenden Wirkungen verbunden sind“.
Jagd und Fischerei in Südtirol
Südtirol verfügt durch das Autonomiestatut über eine ausschließliche (primäre) Gesetzgebungskompetenz auf den Sachgebieten Jagd und Fischerei. Mit der konkreten Ausgestaltung dieser Befugnis – darunter fallen etwa die Regelung der jagdbaren Tierarten oder der Entnahme von Bären und Wölfen – musste sich in der Vergangenheit der italienische Verfassungsgerichtshof mehrmals befassen. Die entsprechenden Urteile fielen unterschiedlich aus, zum Teil wurde die Zuständigkeit des Landes bestätigt, zum Teil wurde diese abgelehnt.
Eine potentielle Gefahr für die Autonomie liegt in der Neufassung von Art 9 der italienischen Verfassung, wonach – wie bereits erwähnt – „das Staatsgesetz die Art und Weise und die Form des Tierschutzes regelt“. Ein solches Staatsgesetz müsste erst vom Parlament verabschiedet werden, könnte aber dazu führen, dass Teile des Tierschutzgesetzes des Landes verfassungswidrig werden könnten, zumal im Widerspruch zum Staatsgesetz.
Um ein solches Szenario zu vermeiden, ist es gelungen, in das entsprechende Verfassungsgesetz eine sog. Sicherungsklausel aufzunehmen. Demnach findet das Staatsgesetz über den Tierschutz auf die Regionen mit Sonderstatut und die Autonomen Provinzen Bozen und Trient „in den Grenzen der gesetzgeberischen Zuständigkeiten, die diesen durch die entsprechenden Sonderstatute zuerkannt werden, Anwendung“. Dies bedeutet folglich für Südtirol, dass insbesondere die Landeskompetenz auf dem Sachgebiet der Jagd bestätigt wird. Eine solche Klausel ist gerade bei Kompetenzstreitigkeiten vor dem Verfassungsgerichtshof für das Land besonders wertvoll.