Wer mag schon Schlangen?
Im Frühling 2020 von Dr. Luis Fuchs
Zur vertrauten Routine ist uns die neue Einkaufsprozedur geworden. Die Hinweisschilder zum Abstandhalten und zum Maskentragen fallen uns gar nicht mehr auf. Hände desinfizieren und Handschuhe anziehen sind zum Ritual geworden. Wir stellen uns in der Warteschlange an und warten, bis uns die Aufsichtsperson die Erlaubnis zum Eintreten signalisiert. Den anderen Kunden schenken wir kaum Beachtung, außer sie kommen uns in die Quere oder fallen uns durch Gesichtsmasken in ausgefallenen Farben und mit lustigen Mustern auf. Gezielt peilen wir die Regale mit den gesuchten Artikeln an und verschaffen uns schließlich einen Überblick über die Situation im Kassenbereich. Schnell geht es dann zur Kasse mit der kürzesten Warteschlange. Unsere Aufmerksamkeit richten wir jetzt auf das Vorankommen in den einzelnen Schlangen. Worüber staunen wir dann am meisten? Der letzte Kunde der zuvor längsten Schlange schreitet bereits in Richtung Ausgang. Warum reihen wir uns immer wieder in der falschen Schlange ein? Einmal ist vor uns die Kassenrolle leer, dann hat ein kleiner Junge nicht genug Geld, und ein älterer Kunde zählt die einzelnen Münzen ab. Allerdings ist nicht die Kasse langsam, unsere Psyche ist das Problem, lassen uns die Psychologen wissen. Das Gefühl der vermeintlichen Benachteiligung verursacht Stress.
Gegen den Schlangen-Frust empfehlen uns Experten einen Trick: Wir sollen uns an die Kasse stellen, an der wenige Kunden mit vielen Artikeln stehen. Das Scannen der Produkte geht sehr schnell, im Bezahlprozess liegt aber der Zeitaufwand. Im Durchschnitt sind Kassierinnen zu zwei Dritteln ihrer Zeit mit Geldeinnehmen beschäftigt. Weitere Tricks verrät uns Robert Samuel, der Gründer der ersten professionellen Warteschlangen-Agentur. Man sollte darauf achten, was im Einkaufswagen des Vorgängers liegt. So würden sechs Flaschen Cola schneller über den Scanner gezogen werden als sechs ganz unterschiedliche Produkte. Zu bevorzugen seien Kassen, die mit weiblichen Bediensteten besetzt sind. Diese arbeiten schneller und effizienter als ihre männlichen Kollegen, versichert uns der Experte Samuel.
Sich in die falsche Spur eingereiht zu haben, vermeinen viele Fahrer auf der Autobahn. Der ständige Spurwechsel einiger Verkehrsteilnehmer führt zwangsläufig zu Bremsmanövern und damit zum Stau. „Die Verkehrsteilnehmer glauben, die andere Spur sei stets die schnellere“, sagt der Verkehrsexperte Michael Schreckenberg, „denn jeder prägt sich viel deutlicher die Autos ein, die an einem vorbeifahren, als diejenigen, die man selbst hinter sich lässt.“ Sich in Geduld fassen muss sich auch, wer in der Telefonwarteschleife darauf wartet, mit einem bestimmten Anschluss verbunden zu werden. Die dahinfließende Wartezeit wird nicht unbedingt als ereignislos empfunden, wenn der Anrufer mit klassischer Musik berieselt wird; meist stammen die Tonschnipsel ja aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“.